Einfluss der Querbiegung auf den Schubwiderstand von Betonbrücken
OPEN ACCESS
Loading...
Author / Producer
Date
2022-09
Publication Type
Report
ETH Bibliography
yes
Citations
Altmetric
OPEN ACCESS
Data
Rights / License
Abstract
Der vorliegende Bericht soll zu einem besseren Verständnis des Last-Verformungsverhaltens und einer zuverlässigeren Beurteilung der Tragsicherheit von Hohlkastenbrücken, welche eine kombinierte Beanspruchung aus Längsschub und Querbiegung erfahren, beitragen. Er entspricht der Arbeit von Herrn Dimosthenis (Demis) Karagiannis, die er im Rahmen seines Doktorats unter Leitung von Prof. Dr. Walter Kaufmann am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich in den vergangenen sechs Jahren durchführte. Anhand experimenteller Untersuchungen konnten die wichtigsten Einflussparameter auf das Last-Verformungsverhalten von Bauteilen unter dieser Beanspruchung identifiziert und verschiedene Methoden zum Nachweis der Tragsicherheit in unterschiedlichen Näherungsstufen hergeleitet werden. Die Dissertation ist im Anhang enthalten. Im Folgenden wird eine ausführliche Zusammenfassung der Arbeit gegeben.
Der erste Teil der Arbeit beschreibt die Ursache von Querbiegemomenten, fasst die relevanten Parameter zusammen, die das Last-Verformungsverhalten der Stege beeinflussen, und identifiziert bestehende Wissenslücken. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Definition der Versuchsserie zur Untersuchung des Tragverhaltens der Stege von Hohlkastenbrücken.
Im zweiten Teil wird das Versuchsprogramm vorgestellt. Insgesamt wurden zehn Versuche an orthogonal bewehrten, ebenen Schalenelementen im Large Universal Shell Element Tester (LUSET) [3], einer neuen Versuchsanlage an der ETH Zürich, durchgeführt. Die Versuchskörper wurden einer Kombination aus homogener Belastung und aufgezwungener Verformung unterworfen, um die aus globaler Beanspruchung resultierenden Randbedingungen für die Stege realitätsnah zu simulieren. Die variierten Parameter umfassten den Bügelbewehrungsgehalt, die kinematischen Randbedingungen und die Reihenfolge der aufgebrachten Belastungen. Um den Einfluss einer infolge Längsschub reduzierten Steifigkeit der Stege auf die Verteilung der Querbiegemomente zu untersuchen, wurde ein Hybridversuch an einem Querschnitt der Brücke durchgeführt. In diesem Versuch bildete ein Finite-Elemente-Modell, dessen Steifigkeit kontinuierlich an die Biegesteifigkeit eines im LUSET eingebauten Versuchskörpers angepasst wurde, das globale Verhalten eines gesamten Brückenquerschnitts ab und gab die Belastung des Versuchskörpers vor. Eine Diskussion des Einflusses der untersuchten Parameter schliesst diesen Teil der Arbeit ab.
Basierend auf den Arbeiten von Seelhofer [7] und Kaufmann [2] wird im dritten Teil der Arbeit ein geschichtetes Schalenelementmodell definiert und dahingehend erweitert, dass einerseits Verformungen vorgegeben und andererseits verzahnte Risse mit fester Neigung berücksichtigt werden können. Die Eignung des Modells zur Vorhersage des Last-Verformungsverhaltens wird mit den im zweiten Teil der Arbeit erhaltenen Versuchsresultaten verifiziert. Nach erfolgter Validierung des vorgeschlagenen geschichteten Schalenelements wird die Anwendbarkeit von starr-ideal plastischen Modellen auf Bauteile mit sehr geringem Bügelbewehrungsgehalt diskutiert. Unter Verwendung der experimentellen Beobachtungen und analytischen Überlegungen auf Elementebene wird der Modellierungsansatz von Marti [5] aufgenommen und angepasst, um seine Anwendbarkeit auf Fälle mit sehr geringem Bügelbewehrungsgehalt zu erweitern. Schliesslich wird ein zweidimensionales, hybrides Rahmen-/Schalenmodell zur Untersuchung des Systemverhaltens des Querschnitts von Hohlkastenbrücken eingeführt. Dieses ermöglicht eine realistischere Bestimmung der Querbiegemomentenverteilung, da die Steifigkeitsentwicklung der relevanten Elemente mit zunehmender Belastung berücksichtigt wird. Die experimentellen und theoretischen Erkenntnisse werden zur Entwicklung von Nachrechnungsverfahren verwendet, die den günstigen Effekt des Systemverhaltens auf die Grösse des massgebenden Querbiegemoments, das im Bruchzustand im Steg wirkt, berücksichtigen.
In den Versuchen wurde beobachtet, dass der Biegedruck infolge Querbiegung, der zusätzlich auf das verschobene Druckfeld im Steg wirkt, zusammen mit den gesamten verallgemeinerten Reaktionen einen günstigen Effekt auf den Tragwiderstand des Stegs unter kombinierter Beanspruchung hat: Der Biegedruck reduziert die Beanspruchung der Bügel und führt gleichzeitig zu einer Verringerung der Rissöffnungen. Die kleineren Rissöffnungen erhöhen die Fähigkeit der Risse, Schubspannungen durch Rissverzahnung zu übertragen und reduzieren somit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Rissgleitversagen. Zudem tritt infolge des Biegedrucks eine weniger ausgeprägte Druckentfestigung des Betons auf. Die Versuche zeigten ausserdem, dass der Tragwiderstand des Stegs unter kombinierter Beanspruchung durch Längsschub und Querbiegung nicht massgeblich von der Abfolge der aufgebrachten Lasten abhängig ist. Das Versagen wurde in praktisch allen Fällen durch Reissen der Bügelbewehrung ausgelöst. Diese Erkenntnisse sind insbesondere für die Beurteilung der Tragsicherheit bestehender Brücken sehr wertvoll.
Der durchgeführte Hybridversuch, der das Systemverhalten berücksichtigte, bestätigte, dass die Systemtragwirkung (insbesondere Umlagerung der Querbiegemomente von Steg in Fahrbahnplatte) in einem Kastenträger sich günstig auf den Tragwiderstand des Stegs unter kombinierter Beanspruchung durch Längsschub und Querbiegung auswirkt. Dies unter der Voraussetzung, dass alle angrenzenden Tragwerkselemente (die Fahrbahnplatte und die untere Kastenplatte) ausreichende Tragreserven aufweisen, um die entsprechende zusätzliche Beanspruchung aufzunehmen. Wird das Systemverhalten bei der Überprüfung bestehender Brücken berücksichtigt, können somit Verstärkungsmassnahmen entfallen oder zumindest deutlich vereinfacht werden, indem lediglich die Steifigkeit der Fahrbahnplatte erhöht wird, anstatt kompliziertere Verstärkungsmassnahmen im Kasteninneren vornehmen zu müssen. Insbesondere können ohnehin erforderliche Verstärkungsmassnahmen an der Fahrbahnplatte, wie sie im Rahmen eines Verbreiterungsprojekts meist nötig sind (da diese eine Erhöhung der Querbiegemomente in der Fahrbahnplatte bewirkt) gleichzeitig zur Erhöhung der Steifigkeit der Fahrbahnplatte genutzt werden, wodurch ein Teil der nachteiligen Auswirkungen des zusätzlichen Gewichts der Fahrbahnplatte auf die Tragsicherheit des Stegs kompensiert wird. In all diesen Fällen sollte das Verformungsvermögen des Stegs überprüft werden, wofür der Bericht Empfehlungen gibt.
Das im letzten Teil vorgestellte numerische Verfahren ermöglicht die Durchführung von Last-Verformungs-Analysen für ein einzelnes Element des Stegs unter Berücksichtigung des Systemverhaltens über die vorhandenen kinematischen Randbedingungen. Das Verfahren führt zu guten Vorhersagen des Last-Verformungs-Verhaltens und zeigt, dass die Modellierung der Druckentfestigung besondere Aufmerksamkeit erfordert. Der schliesslich vorgestellte graphische Ansatz ermöglicht es, die Tragsicherheit und die damit verbundenen Verformungen unter kombinierter Beanspruchung durch Längsschub und Querbiegung für Bauteile mit geringen Bewehrungsgraden mit geringem Rechenaufwand zu ermitteln. Da die Verformungskapazität implizit überprüft wird, stellt dieser Ansatz ein wertvolles Werkzeug für Situationen dar, in denen bestehende starr-ideal-plastische Modelle für den Nachweis der Tragsicherheit nicht ausreichen.
In der Praxis sollten die verschiedenen in diesem Bericht vorgeschlagenen Berechnungsansätze je nach dem erforderlichen Grad an Komplexität mit Bedacht eingesetzt werden. Es wird vorgeschlagen, vor der Verwendung vollständig nichtlinearer Modelle mit numerischen Elementen einen der beiden in diesem Bericht erörterten einfacheren Ansätze zu wählen. Beide Methoden liefern realistische Lastverteilungen und stellen gleichzeitig sicher, dass das Verformungsvermögen des Stegs nirgendwo überschritten wird. Indem sie eine Umverteilung der Last zulassen, sind die Methoden weniger konservativ als Methoden, die sich ausschliesslich auf die maximale Ausnutzung der Tragfähigkeit der einzelnen Querschnittselemente konzentrieren.
Permanent link
Publication status
published
External links
Editor
Book title
Volume
710
Pages / Article No.
Publisher
Bundesamt für Strassen (ASTRA) des Eidgenössisches Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
Event
Edition / version
Methods
Software
Geographic location
Date collected
Date created
Subject
Stahlbeton; Querbiegung; Grossmassstäbliche Versuche; Querkraft
Organisational unit
09469 - Kaufmann, Walter / Kaufmann, Walter
Notes
Bericht zum Forschungsprojekt AGB 2014/001, auf Antrag der Arbeitsgruppe Brückenforschung (AGB) des Bundesamts für Strassen (ASTRA)
Funding
Related publications and datasets
Has part: