QuercAdapt: Zusammenhang zwischen ökologischen Gradienten und adaptiver genetischer Variation bei Eichen (Quercus robur, Q. petraea und Q. pubescens): Sind Herkunftsregionen heute und in Zukunft ökologisch berechtigt?: Schlussbericht im Forschungsprogramm Wald und Klimawandel

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Date
2016-03Type
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Abstract
Damit eine Population an einem Standort erfolgreich bestehen kann, muss sie an die lokal herrschenden Umweltbedingungen angepasst sein. Demzufolge müssen Populationen ihre genetische Zusammensetzung verändern, um mit den Umweltveränderungen, wie sie insbesondere als Folge des globalen Klimawandels auftreten, Schritt halten zu können. Wenn diese genetischen Änderungen nicht schnell genug stattfinden, reduziert sich die Fitness einer Population und damit ihre Überlebenswahrscheinlichkeit. Kenntnisse über das Ausmass genetischer Variation und über Zusammenhänge dieser Variation mit Umweltfaktoren bilden eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Angepasstheit von Populationen an heutige Umweltbedingungen. Diese Grundlage erlaubt die Einschätzung des Anpassungspotenzials einer Population oder Art an zukünftige Umweltbedingungen. Im Forschungsprojekt QUERCADAPT untersuchten wir am Beispiel der drei häufigsten in der Schweiz vorkommenden Eichenarten, der Traubeneiche (Quercus petraea), Flaumeiche (Q. pubescens) und Stieleiche (Q. robur), ob sich Zusammenhänge zwischen genetischer Variation und Gradienten in Umweltfaktoren aufzeigen lassen, inwieweit diese Zusammenhänge artspezifisch sind und welche Bedeutung diese Erkenntnisse in Bezug auf die forstlichen Herkunftsregionen haben. In 71 Eichenbeständen, verteilt auf die drei Eichenarten und sechs (teils zusammengefasste) Herkunftsregionen, wurden folgende Datensätze erhoben: • interpolierte und modellierte Klimadaten jedes Probenahmestandorts für die Zeiträume 1931-1960 ("heutig", d.h. während der Etablierung der gegenwärtig vorhandenen Bestände) und 2071-2100 (zukünftig); • physikalisch/chemische Bodenfaktoren und Modellierung von Wasserhaushalt sowie von Trockenheitsindices; • Variation an einem molekularen Marker der Chloroplasten-DNA zur Identifizierung möglicher allochthoner Bestände (Abweichung vom Muster aufgrund postglazialer Rückwanderung); • Blattmorphologie und neutrale molekulare Marker (nukleäre Mikrosatelliten) zur Zuteilung der beprobten Bestände zu den drei Eichenarten; • Variation der DNA-Sequenz, erfasst mit Hilfe moderner Sequenziertechnologie, in 95 Genregionen, die aufgrund der Literatur als Kandidaten für lokale Anpassung sind. Die vier in der Einleitung formulierten Fragen und zugehörigen Hypothesen des Projekts QUERCADAPT können wir folgendermassen beantworten: 1) In den 95 Genregionen der drei untersuchten Eichenarten wurden sowohl artspezifisch als auch artübergreifend Genorte identifiziert, die sich durch extreme genetische Differenzierung und/oder eine statistische Beziehung zu Umweltgradienten auszeichnen. Diese Resultate deuten darauf hin, dass die entsprechenden Gene unter starker umweltbedingter Selektion stehen. 2) Die neutrale genetische Differenzierung von Eichenvorkommen innerhalb bzw. zwischen Herkunftsregionen unterscheidet sich nur schwach, was durch weiträumigen Genfluss vornehmlich durch Pollen zu erklären ist. Somit messen wir in Bezug auf die Angepasstheit der untersuchten Populationen den lokalen Standortbedingungen mehr Gewicht bei als den Herkunftsregionen. Bei der Herkunftswahl bei Saatguttransfer sollten somit in erster Linie standörtliche Aspekte (innerhalb wie auch zwischen Herkunftsregionen) berücksichtigt werden. 3) Aufgrund des obigen Resultats erachten wir die Bedeutung der Herkunftsregionen bei der Auswahl von forstlichem Vermehrungsgut als weniger wichtig als die lokalen Standortbedingungen und die genetische Zusammensetzung. Gleiches gilt auch für die Eignung spezifischer Samenerntebestände. Die Herkunft von Saatgut für Anpflanzungen sollte also vorab aufgrund ökologischer und genetischer und nicht grossräumiger geographischer Kriterien erfolgen. 4) Wir haben ein einfaches Konzept entwickelt, anhand dessen die Unangepasstheit einer Herkunft an zukünftige Umweltbedingungen abgeschätzt werden kann. Darauf basierend lässt sich ein diagnostischer molekular-genetischer Test entwickeln, der die Eignung einer Herkunft oder eines Saatguterntebestands in Bezug auf eine spezifische Allel–Umweltbeziehung abschätzen lässt. Diese Entwicklung ist zurzeit in Bearbeitung. Die drei untersuchten Eichenarten zeigten deutliche Unterschiede in ihren Assoziationen von genetischer Variation mit Umweltfaktoren. Ausserdem gab es eine grosse Anzahl artspezifischer genetisch variabler Stellen in den DNA-Sequenzen. Diese Resultate deuten auf eine grosse genetische Vielfalt in den untersuchten Beständen hin, eine wichtige Voraussetzung für lokale Anpassung durch natürliche Selektion. Der Vergleich zwischen "heutigen" und zukünftigen (modellierten) Klimabedingungen an den Probenahmestandorten weist darauf hin, dass alle drei Arten grossen Umweltveränderungen ausgesetzt werden, die entsprechende Anpassungen auf genetischer Ebene erfordern (Änderungen der Allelfrequenzen). Dabei erwies sich die Stieleiche gegenüber der zukünftigen mittleren Jahrestemperatur von den drei Eichenarten am wenigsten gefährdet, während sie in Bezug auf die modellierte Standortwasserbilanz von den drei Eichenarten am schlechtesten angepasst zu sein scheint. Nebst der Anpassung aufgrund von Allelfrequenzänderungen im Bestand selbst dürfte auch der weitreichende Genfluss, vorab durch den windausgebreiteten Pollen, bei Naturverjüngung zu angepassten zukünftigen Eichenbeständen führen. Aufgrund der vorliegenden Resultate empfehlen wir, natürliche Ausbreitung und Naturverjüngung durch entsprechende waldbauliche Massnahmen zu begünstigen und dadurch eine grosse genetische Vielfalt als breite Basis für die natürliche Selektion zu fördern. Dabei wird mit Areal- und Artenverschiebungen zu rechnen sein. Bei Pflanzungen sollte darauf geachtet werden, Vermehrungsgut aus Herkünften zu verwenden, die ähnliche Standortbedingungen aufweisen wie sie am Standort des zu bepflanzenden Bestands herrschen oder in Zukunft zu erwarten sind. Die Muster genetischer Differenzierung an adaptiven Loci sollten dabei berücksichtigt werden, idealerweise durch deren Charakterisierung in Samenerntebestände. In zweiter Priorität sollte wenn möglich auch das genetische Muster der nacheiszeitlichen Rückwanderung und somit die natürlich erfolgte Ausbreitung der Eichenarten in Betracht gezogen und damit erhalten werden. Wir gehen davon aus, dass die natürliche Dynamik, unterstützt durch forstliche Eingriffe zur Förderung der Eichenetablierung, als auch die individuelle Plastizität wesentlich dazu beitragen werden, dass die drei Eichenarten auch in Zukunft ihre Nische im Schweizer Wald finden und behaupten können. Show more
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https://doi.org/10.3929/ethz-b-000311151Publication status
publishedPublisher
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL)Subject
Genetische Variation; KLIMATISCHE FAKTOREN (PFLANZENÖKOLOGIE); Adaptation; KlimawandelOrganisational unit
00009 - ETH-nahe Einheiten
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