Volkswirtschaftlicher Nutzen von frühkindlicher Bildung in Deutschland
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Datum
2008Typ
- Report
ETH Bibliographie
yes
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Abstract
Ausgangslage und Fragestellung: Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung wurde untersucht, welchen Einfluss die Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote auf den späteren
Schulbesuch der Kinder hat und längerfristig auf die zu erwartenden Lebenseinkommen auswirkt. Die vorliegende Analyse bezieht sich nur auf Krippenangebote. Untersucht wurden die
Geburtsjahrgänge 1990 bis 1995 von in Deutschland geborenen Kindern. 16 Prozent dieser Kinder haben einmal eine Krippe besucht. Die meisten gingen erst im Alter von 2 Jahren in die Krippe. Im
Folgenden ist untersucht worden, welchen Effekt der Krippenbesuch in Bezug auf die Einstufung in einen der drei Schultypen der Sekundarstufe I gegenüber dem alleinigen Besuch eines
Kindergartens hat. Effekt der Krippe auf den Besuch des Gymnasiums. Für den weiteren schulischen Erfolg der Kinder ist die Einstufung auf der Sekundarstufe I von entscheidender Bedeutung
(erste Selektion). An diesem Punkt der Bildungslaufbahn kommen soziale Ungleichheiten stark zum Vorschein. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen (Migrationshintergrund, geringe Bildung der
Eltern) weisen eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit auf, höhere Schultypen (Realschule, Gymnasium) zu besuchen. Für die Isolation des Einflusses des Krippenbesuchs auf die Einstufung in
der Sekundarstufe I wurden weitere Einflüsse wie die Bildung der Eltern, Einkommen und Anzahl Geschwister sowie Geschlecht, Geburtsjahrgang und Herkunft (Migration, Ost/West) gleichzeitig
gemessen. Damit sollte sicher gestellt werden, dass der ermittelte Effekt des Krippenbesuchs nur auf diesen und nicht auf die anderen Effekte zurückzuführen ist. Die Bildung der Eltern hat
den größten Einfluss auf den besuchten Schultyp in der Sekundarstufe I. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass der Bildungsstand in Deutschland zu einem hohen Grad „vererbt“ wird. Die
frühkindliche Bildung hat jedoch ebenfalls einen hohen Einfluss auf die Bildungswege der Kinder. Für den Durchschnitt der Kinder erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen,
von 36 Prozent auf rund 50 Prozent, wenn sie eine Krippe besucht haben. Die Verbesserung der Bildungschancen durch den Krippenbesuch liegt für benachteiligte Kinder höher als für den
Durchschnitt. Von den benachteiligten Kindern, welche eine Krippe besucht haben, gehen rund zwei Drittel mehr aufs Gymnasium. Bei den nichtbenachteiligten Kindern gehen von den Kindern, die
eine Krippe besucht haben, fast zwei Fünftel mehr auf das Gymnasium als «Nicht-Krippenkinder». Langfristiger volkswirtschaftlicher Nutzen: Ein Gymnasialabschluss erhöht die
Wahrscheinlichkeit, ein höheres Lebenseinkommen zu erzielen. Durch die Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines Gymnasiums-Abschlusses, welche auf den Krippenbesuch zurückgeführt werden kann,
ergibt sich pro betreutes Kind ein durchschnittliches Brutto-Mehreinkommen von 21’642 Euro (Wert des Lebenseinkommens inkl. Arbeitgeberbeiträge an Sozialversicherungen). Als Grundlage für die
Berechnung dient die Differenz zwischen den erwarteten Lebenseinkommen von Personen mit und ohne Abitur oder Fachhochschulreife in den Jahren 1995 bis 2005. Dabei wird berücksichtigt, dass
nur 15 Prozent der ursprünglich in das Gymnasium eingestuften Schüler/innen die Schule nicht mit dem Abitur abschließt. Es werden damit durch den Krippenbesuch eines Kindes
volkswirtschaftliche Nutzeneffekte ausgelöst, welche rund dreimal höher sind als die entstandenen Kosten für den Krippenbesuch von 8’026 Euro (für eine durchschnittliche Dauer von 1.36
Jahren). Der Nettonutzen als Differenz zwischen Kosten und (Brutto-)Nutzen beträgt 13’616 Euro je betreutes Kind. Dies entspricht einer langjährigen Verzinsung der Investitionen in Form von
Krippenkosten zu jährlich 7.3 Prozent. Dabei ist im Auge zu behalten, dass andere zusätzliche Nutzeneffekte durch die bestehende Forschungsliteratur belegt sind, welche das Verhältnis
derNutzen zu den Kosten bzw. die volkswirtschaftliche Rendite zusätzlich erhöhen. Hierzu zählen beispielsweise die zusätzlichen Einkommenseffekte, die bei den Eltern entstehen. Verpasste
Ertragschancen durch unzureichende Investitionen in den 90er Jahren: Als Gedankenspiel soll dargestellt werden, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen eine Erhöhung der durchschnittlichen
Krippenbetreuungsquote bei den untersuchten Geburtsjahrgängen gehabt hätte. Wir betrachten ein Ausbauszenario, in welchem 35 Prozent der Kinder eines Jahrgangs jemals eine Krippe besucht
hätten. Diese Nutzungsquote stellt gegenüber den beobachteten 16 Prozent der Kinder eines Jahrgangs in den Jahrgängen 1990 bis 1995 eine Erhöhung der Anzahl Kinder um das 2.18-fache dar.
Dafür hätten pro Jahr rund 181'000 zusätzliche Krippenplätze zur Verfügung gestellt werden müssen, welche pro Jahrgang von 155'000 Kindern beansprucht worden wären. Es wäre ein Nettonutzen in
der Summe von 2.1 Milliarden Euro pro betrachteten Geburtsjahrgang generiert worden (zu Preisen von 2005). Diese volkswirtschaftlichen Nutzeneffekte würden ab dem Eintritt der betrachteten
Geburtsjahrgänge ins Erwerbsalter (17 Jahre, für Abiturient/innen 19 bis 20 Jahre) anfallen, also ab 2009 in die Zukunft. Nach dem berechneten Szenario entgeht der deutschen Volkswirtschaft
ab 2009 für die sechs untersuchten Jahrgänge (von 1990 bis 1995) insgesamt ein Nettonutzen in Höhe von 12,6 Milliarden Euro. Mehr anzeigen
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publishedSeiten / Artikelnummer
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Bertelsmann StiftungOrganisationseinheit
03639 - Diekmann, Andreas (emeritus)
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