Staatsverschuldung und Ungleichheit. Theoretische und normative Überlegungen mit Blick auf die Schweiz
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2023-03Type
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Staatsverschuldung und soziale Ungleichheit sind Themen, die kontrovers diskutiert werden. Beide sind untrennbar mit Werturteilen verbunden, weshalb es für die Sozialwissenschaften praktisch unmöglich ist, sich auf ein allgemeines Urteil über das «richtige» Ausmass von Staatsverschuldung und sozioökonomischer Ungleichheit zu einigen. In diesem Beitrag werden zunächst die Diskussionen über Staatsverschuldung zusammengefasst. Anschliessend versuchen wir anhand von Daten für die Schweiz, mögliche Zusammenhänge zu erkennen. Wir stellen fest, dass der Schuldenabbau der letzten zwanzig Jahre ideologisch motiviert war. Die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung ist deutlich grösser als bei den Einkommen. Seit 1995 hat die Einkommensund insbesondere die Vermögensungleichheit deutlich zugenommen. Die wachsende Vermögensungleichheit ist weniger Ausdruck einer meritokratischen Wirtschaftsordnung als vielmehr einer «Feudalisierung» durch Vererbung, die die Legitimität der Wirtschaftsordnung beeinträchtigt. Die in der Politikwissenschaft und der ökonomischen Public-Choice-Theorie verbreitete Annahme, dass Ungleichheit die Staatsverschuldung fördert, lässt sich für die Schweiz nicht bestätigen. Unsere Daten zeigen genau das Gegenteil: Ungleichheit ist mit einer geringeren Staatsverschuldung verbunden. Die beiden Phänomene sind unabhängig voneinander, aber von einem dritten Faktor angetrieben worden,
der Globalisierung und den damit verbundenen neuen politischen Imperativen der letzten Jahrzehnte,
wie Ausgabenzurückhaltung und Schuldenabbau, mehr «Eigenverantwortung» statt sozialer Sicherheitsnetze, und die Senkung der Grenzsteuersätze für die höheren Einkommensklassen bei
gleichzeitiger Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage und Abschaffung der Erbschaftssteuer
für nahe Verwandte, wodurch Familiendynastien begünstigt werden, die dadurch an wirtschaftlichem
Gewicht und politischem Einfluss gewinnen und sich dann stärker für einen «schlanken Staat» mit
niedriger Verschuldung und niedrigen Steuern und hoher Toleranz für sozioökonomische Ungleichheit
einsetzen. Show more
Public debt and social inequality are topics of controversial debate. Both are inextricably linked to value judgements, which is why it is impossible for the social sciences to agree on a general judgement about the «right» extents of government debt and socio-economic inequality. In this paper, we first summarise the discussions on public debt. Then, using data for Switzerland, we try to identify possible correlations. We find that the debt reduction of the last twenty years was ideologically motivated. Also, inequality in wealth distribution is clearly greater than in income. Since 1995, income inequality and especially wealth inequality have increased significantly. The growing wealth inequality is less an expression of a meritocratic economic order than of a «feudalisation» through inheritance, which affects the legitimacy of the economic order. The common assumption in political science and economic public choice theory that inequality promotes public debt cannot be confirmed for Switzerland. Our data show just the opposite: inequality is associated with lower public debt. The two phenomena are independent of each other, but are driven by a third factor, globalisation and the associated new political imperatives of recent decades, such as spending restraint and debt reduction, more «personal responsibility» instead of social safety nets, and the lowering of marginal tax rates for the higher income brackets while broadening the tax base and abolishing inheritance tax for close relatives, thus favouring family dynasties, which thereby gain economic weight and political influence and then become more committed to a «lean state» with low debt and taxes and high tolerance for socio-economic inequality. Show more
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https://doi.org/10.3929/ethz-b-000604336Publication status
publishedJournal / series
KOF AnalysenVolume
Pages / Article No.
Publisher
KOF Swiss Economic Institute, ETH ZurichSubject
public debt; inequality; legitimacy; neo-feudalism; SwitzerlandOrganisational unit
02525 - KOF Konjunkturforschungsstelle / KOF Swiss Economic Institute
06330 - KOF FB Konjunktur / KOF Macroeconomic forecasting
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Is part of: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000604315
Notes
Spezialanalysen, Frühjahr 2023 - SA1More
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